Die Schafschur auf Sardinien – Tradition, Ritus, Fest
Der Tag der Schafschur im Frühjahr ist auf Sardinien ein sehr traditionelles Ereignis. Es beginnt am Morgen mit dem Zusammentreiben der Schafe in einem abgeschlossenen Gehege und endet nach getaner Arbeit mit einem guten gemeinsamen Essen, bei dem alle Helfer zusammensitzen.
Dieses Jahr war ich eingeladen worden, im Agriturismo S´Ispiga zwischen Santa Caterina und Cuglieri bei einer ganz speziellen Schafschur mit der Kamera dabei zu sein: 5 Schafe, 1 Schäfer und 2 Frauen von der Cooperativa Sociale la Famiglia aus Cuglieri waren die Akteure, die 44 Grundschulkindern die Schafschur und das Filzen nahe brachten. Die Kinder durften unter behutsamer Anleitung beim Scheren mit Hand anlegen. Danach wurde unter der Obhut der zwei Frauen von der Cooperativa Sociale gefilzt. Zum Abschluss konnten alle einmal auf dem Pony und der Eselin des Hofes reiten. Das gab glänzende Kinderaugen!
Bemerkenswert fand ich, dass die drei Grundschulklassen von ihren 6 (!) Lehrer*innen begleitet wurden. 44 Kinder, darunter 2 Inklusionskinder, 3 Klassen, 6 Lehrer*innen. Das ist eine Klassenstärke von 14-15 Kindern, bei 2 Lehrkräften pro Klasse. Denk ich an Deutschland …. Oh je!
Die Schur
Eine traditionelle Schafschur-Schere hat sehr scharfe Metallklingen, die zusammen ein Dreieck bilden. Auf dem Foto unten ist so eine Schere im Einsatz. Heutzutage werden auch elektrische Scheren benutzt. Schnell und geschickt wird das Ganze so durchgeführt, dass die Wolle in einem Stück herunter kommt. Die Schafe werden nicht nur deshalb geschoren, weil es ihnen sonst im Sommer unter dem dicken Fell zu heiß werden würde, sondern auch, damit sie sich nicht mit dem langen Fell im Gesträuch verhakeln und an Dornen verletzten.
Will man sie weiterverwenden, wird die Wolle nun zuerst gewaschen, Verunreinigungen werden ausgekämmt. Anschließend kann sie versponnen oder zu Filz verarbeitet werden. Wie das mit dem Filzen geht, bekamen die Kinder zuerst erklärt und an mitgebrachten Beispielarbeiten gezeigt.
Die Geschichte des Filz
So erfuhren wir, dass Filz das erste Tuchwerk war, das von Menschenhand hergestellt wurde. Die ältesten Spuren dieser Textiltechnik führen nach Sibirien, auch im antiken Griechenland und Rom war das Filzen gebräuchlich.
In unserem Fall hatten die beiden filzkundigen Frauen fertige Rohwolle in mehreren Farben mitgebracht. Zusammen mit den Kindern wurde ein „Bild“ gelegt. Das Kunstwerk wurde dann mit heißem Wasser + Seife durchnässt und von Hand geschlagen. In alten Zeiten gab es hierfür auch Filzmühlen, die die Arbeit des Schlagens mit Wasserkraft verrichteten. Gebäudereste so einer Mühle stehen im Montiferru noch am Wasserfall Sos Molinos bei Santu Lussurgiu.
Natürlich wurde auch nach dieser Schafschur gemeinsam gegessen. Währenddessen lag das Filzwerk auf der Mauer zum Trocknen aus und nahm seine endgültige Gestalt an.
Es folgt eine kleine Galerie mit Bildern von dem Ereignis, die ich mit freundlicher Genehmigung der beteiligten Personen hier veröffentlichen darf. Vielen Dank an alle für diesen in vieler Hinsicht lehrreichen Tag. Darum freue diesmal nicht nur ich mich über einen Kommentar, sondern alle, die bei dieser Schafschur dabei waren J.
- Wer war Caterina d’Alessandria?
- Kefalonia – auf der Jagd nach dem Blau
Oh Mann, da wär ich auch gerne dabei gewesen! Die Bilder 3 und 5 finde ich großartig. Selten so entspannte Schafe bei der Schur gesehen.
Liebe Grüße
Isabel
Ja, die Schafe waren bei der Schur sehr friedlich. Dabei sehen sie hinterher so erbärmlich aus, wenn sie fast nackt herumrennen.
Für Fotografen übrigens gar nicht gut. Denn jetzt setzt sich erst mal längere Zeit kein Kuhreiher mehr fotogen auf den Schafrücken.
Grazie Micaela, bellissimo articolo e bellissime foto, complimenti! Arrivederci a Cuglieri!
Grazie a te, Minuccia! 🙂